Der Mann mit dem Panther-Tattoo

Es ist ein eindrücklicher Panther, der den Oberarm unseres Kunden bedeckt, von der Schulter bis zum Ellbogen. Doch er will ihn so schnell wie möglich wieder loswerden und beschuldigt seinen Tätowierer, sich nicht an die Vorlage gehalten zu haben.

 

Bilder: michariechsteiner.ch

Der Mann mit dem Panther-Tattoo

Unser Kunde liebt Tattoos. Und eigentlich mag er auch den Tätowierer in seinem Lieblingsstudio, er hat ihm schon andere Motive in die Haut gestochen. Nur: Diesmal ist er überhaupt nicht zufrieden und behauptet, der Tätowierer habe sich nicht an die Vorlage gehalten. Das Resultat sei zwar durchaus gut anzusehen, aber eben nicht, was besprochen war. Darum habe er sich bereits in einem anderen Tattoo Studio erkundigt, was das Weglasern kosten würde: 2100 Franken! Unser Kunde findet, der Tätowierer trage die Schuld am falschen Bild auf seinem Oberarm und müsse deshalb für eine Korrektur in die Verantwortung genommen werden.

Das Tattoo Studio und der Tätowierer weisen die Schuld zurück und beziehen sich auf den Vertrag mit unserem Kunden: Die Umsetzung eines Motivs sei stets auch eine Frage des Untergrunds, also der Beschaffenheit des Arms, und eine gewisse künstlerische Freiheit bei der Interpretation der Vorlage normal – was gerade jene Kunden wüssten, die sich nicht zum ersten Mal stechen lassen.  

Einem Laien stechen die Beanstandungen des Kunden nicht ins Auge.

Wir klären ab, wo wir die strittige Frage – ob das Tattoo zu beanstanden ist oder nicht – beurteilen lassen können. Denn: einem Laien stechen die Beanstandungen des Kunden nicht ins Auge. Profis müssen ran. Wir werden fündig beim Verband Schweizerischer Berufstätowierer. Dort kann man Tattoos von einem Gremium von fünf erfahrenen Berufstätowierern beurteilen lassen. Eine solche Expertise kostet 1000 Franken Honorar. Ein Tattoo von dieser Grösse, sagt unsere Auskunftsperson beim Verband auf Anfrage, sei ein Kunstwerk. Dieses zu beurteilen und die Entstehung zu rekonstruieren sei zuweilen knifflig. Er rät dem Kunden zudem ausdrücklich vom Lasern ab, bei dieser Fläche könne ein besseres Ergebnis mit einem Cover up erzielt werden.

Wir halten Rücksprache mit unserem Kunden und erklären ihm, dass wir zur Übernahme der Kosten für das Gutachten bereit sind. Er müsse die Vorlage des Panthermotivs dem Verband einsenden sowie zu einem späteren Zeitpunkt persönlich dort erscheinen, damit das gestochene Bild in all seinen Details live am Menschen beurteilt werden könne. Unser Kunde nimmt dies zur Kenntnis und betont nochmals, dass er den Panther weglasern möchte, um ein neues Tattoo stechen zu lassen – trotz Abraten des Verbands.

Für das Dossier an den Berufsverband fehlt uns noch ein letztes Formular. Unser Kunde will es im Tattoo Studio ausfüllen lassen und uns schicken. Wir versichern ihm, dass wir die Angelegenheit nach Erhalt des Formulars sofort dem Verband zur Beurteilung weiterleiten.

Doch dann passiert – nichts.  

Einen Monat später fragen wir beim Kunden nach. Und stellen fest: Statt das fehlende Formular einzufordern, hat er bereits an zwei Sitzungen Teile seines Panther-Tattoos weglasern lassen – und damit weite Stücke des «Beweismaterials». Wir erinnern ihn an das besprochene Vorgehen. Er erwidert: Er habe nicht mehr klar denken können, sondern nur noch das Tattoo weghaben wollen.

Wir können unseren Kunden dazu motivieren, nichts unversucht zu lassen und das fehlende Formular doch noch einzureichen sowie dem Vertreter des Berufsverbands Fotos des jetzigen Tattoo-Zustands zu mailen. Die Beurteilung ist noch möglich und die Antwort des Experten fällt deutlich aus: «Das Tattoo sieht zwar nicht exakt so aus wie die Vorlage, aber das kann es aufgrund der angewendeten Technik gar nicht». Angewendet wurde – in Absprache mit dem Kunden – die Brush Technik. Eine Handhabe für ein rechtliches Vorgehen gäbe es damit nicht.

Fazit: Weil das Tattoo aus fachlicher Sicht nicht zu beanstanden gewesen war, ergab sich in der Folge für den Kunden kein Entschädigungsanspruch. Er musste die Kosten für das Weglasern letztlich selbst tragen.

 

Was tun, wenn das Tattoo anders aussieht als gewünscht?

  • Nehmen Sie mit ihrem Tätowierer Kontakt auf und melden Sie Ihre Kritik.
  • Machen Sie Fotos des Tattoos.
  • Besprechen Sie mögliche Korrekturmöglichkeiten mit Ihrem Tätowierer; ihm sollte die Gelegenheit gegeben werden, sich dazu zu äussern und wenn möglich Verbesserungen herbeizuführen.
  • Wenn keine Korrektur möglich ist, versuchen Sie, eine gütliche Einigung z. Bsp. in Form einer finanziellen Entschädigung zu erlangen.
  • Für eine neutrale Beurteilung wenden Sie sich an swiss.tattoo: Verband Schweizerischer Berufstätowierer | VST | ASTP | ASTP (swiss.tattoo)

 

Nach welchen fachlichen Kriterien wird ein Tattoo beurteilt?

Die Experten prüfen ein Tattoo nach den folgenden Merkmalen:

  • Linienführung mit all ihren Facetten
  • Flächenfüllungen
  • Verläufe
  • Schattierungen
  • Konzept
  • Zustand der Haut nach Abheilung

Nicht beurteilt werden kann ein Tattoo nach dessen künstlerischen Aspekten, da diese je nach Geschmack des Betrachters unterschiedlich ausfallen.

Autorin/Autor

Claudia Strozzi
Claudia Strozzi arbeitet als Rechtsanwältin im Rechtsdienst der Coop Rechtsschutz und hat sich auf das Haftpflichtrecht und Sozialversicherungsrecht spezialisiert.
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