Die Kündigung aus dem Nichts

Im Schweizerischen Arbeitsrecht gibt es vier Beendigungsgründe eines Arbeitsverhältnisses. Unsere Expertin informiert im Gespräch über die wichtigsten Punkte zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses laut Schweizerischem Privatrecht.
 

Illustrationen: coraliespatig.ch

Die Kündigung aus dem Nichts

Martina Weber, es kommt vor, dass Sie Leute beraten müssen, denen aus dem Nichts die Stelle gekündet wurde. Was raten Sie ihnen?

Ich versuche sicher, die Emotionen aus dem Spiel zu nehmen: Diese Menschen wurden vom Schicksal überrascht, sind verunsichert oder fühlen sich gedemütigt. Darum erkläre ich ihnen möglichst trocken die rechtliche Lage.

Und wie sieht die aus?

Das Schweizerische Arbeitsrecht kennt vier Beendigungsgründe für Arbeitsverträge: die Befristung, der Tod des Arbeitnehmers, der Aufhebungsvertrag oder die Kündigung. Keine Beendigungsgründe sind etwa der Tod des Arbeitgebers, der Konkurs des Arbeitgebers, der Betriebsübergang oder das gesetzliche Pensionsalter.

Wenn mir ohne Vorwarnung und vor allem ohne Begründung die Stelle gekündigt wird, die ich seit zehn Jahren inne habe: Worum geht es da?

Dabei handelt es sich, juristisch gesehen, um die Kündigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

Und das darf meine Chefin einfach so?

Das privatrechtliche Arbeitsverhältnis ist im Obligationenrecht geregelt und sehr liberal ausgestaltet. Die sogenannte Kündigungsfreiheit besagt, dass es für die Kündigung weder besondere Gründe noch eine Anhörung oder Verwarnung braucht. Deshalb kann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis relativ problemlos gekündigt werden – von beiden Vertragsparteien. Selbst eine mündlich geäusserte Kündigung gilt umfassend und unwiderruflich (ausser es liegen besondere Formvorbehalte im Einzelvertrag oder GAV usw. vor).

Ich rate Ihnen dringend, von Ihrem Recht Gebrauch zu machen und eine schriftliche Kündigungsbegründung per Mail oder per Brief zu verlangen.

Meinem Arbeitgeber sind da keine Schranken gesetzt?

Doch, es gibt ein paar Schranken wie Kündigungsfristen und Kündigungstermine. Das Gesetz kennt auch die Kündigung zur Unzeit, die missbräuchliche Kündigung oder die diskriminierende Kündigung. Aber diese Schranken bedeuten nicht automatisch, dass Ihnen nicht trotzdem gekündigt werden darf.

Okay, mir würde gekündigt. Was nun? Wie soll ich reagieren?

Ich rate Ihnen dringend, von Ihrem Recht Gebrauch zu machen und eine schriftliche Kündigungsbegründung per Mail oder per Brief zu verlangen. Das wird im Gesetz unter Art. 335 Abs. 2 OR so festgehalten. Sie benötigen ein solches Schreiben auch für die mögliche Anfechtung der Kündigung respektive um eine missbräuchliche Kündigung ausschliessen zu können.

Wie beweise ich eine «missbräuchliche» Kündigung?

Falls Sie die schriftliche Begründung der Kündigung als an den Haaren herbeigezogen erachten, gibt es die Möglichkeit, mittels Indizien darzulegen, dass der angegebene Kündigungsgrund nicht der Realität entspricht. Dies führt zur Vermutung der Missbräuchlichkeit, die wiederum vom Kündigenden zu entkräften ist.

Worauf muss ich sonst noch achten?

Dass Sie unbedingt die Fristen einhalten! Sie können dies im Obligationenrecht nachlesen, Art. 336b OR. Wer zum Beispiel eine Entschädigung geltend machen will, muss gegen die Kündigung spätestens bis zum Ende der Kündigungsfrist bei der Gegenpartei schriftlich Einsprache erheben. Diese Frist ist ganz wichtig: Wird sie nicht eingehalten, ist ein späteres Vorgehen gegen die missbräuchliche Kündigung nicht mehr möglich. Am besten, Sie versenden die schriftliche Einsprache ein, zwei Woche vor dem Ende der Anstellung per Einschreiben. 

Wenn ich die Kündigung anfechte, mich aber mit meinem Arbeitgeber nicht einigen kann?

Dann gibt es eine zweite wichtige Frist: Innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss eine Klage vor Gericht anhängig gemacht werden.

Wie hoch kann denn eine Entschädigung bei einer missbräuchlichen Kündigung ausfallen?

Falls ein Arbeitsverhältnis missbräuchlich gekündigt wird – und das betrifft wiederum beide Seiten! – muss die «schuldige» Partei der anderen eine Entschädigung ausrichten. Diese beträgt maximal sechs Monatslöhne. Ausschlaggebend sind vor allem die Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeit des Gekündigten, das Motiv des Kündigenden, die Dauer der Anstellung oder der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Aber auch das Alter des Arbeitnehmers, seine soziale Situation oder die finanzielle Lage beider Parteien können eine Rolle spielen.

Kann ich das alles alleine bewerkstelligen?

Müssen Sie nicht. Sie sind ja bei der Coop Rechtsschutz versichert. Wir führen Sie sicher durch den Prozess!

Autorinnen/Autoren

Martina Weber
Martina Weber, MLaw, Juristin, arbeitete im Rechtsdienst der Coop Rechtsschutz. Sie hatte sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert.
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Matthias Mächler
Matthias Mächler bringt Inhalte auf den Punkt: Seine Texte und Magazine wurden mehrfach preisgekrönt.
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